Warum Pestizide in "Nicht-Bio Produkten" ein Thema sind

Warum Pestizide in "Nicht-Bio Produkten" ein Thema sind

Wenn wir über Landwirtschaft und Produkte vom Feld sprechen, denken viele an die gewohnte Zweiteilung:

Konventionelle Landwirtschaft oder Bio-Landwirtschaft.

„Konventionell“ steht für maximalen Ertrag und den Einsatz zahlreicher chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel. „Bio“ dagegen verzichtet auf viele dieser Mittel, arbeitet stärker mit Naturkreisläufen, allerdings oft mit geringeren Erträgen pro Hektar. Soweit, so klar. Bis hier kann man keinen wirklich großen Unterschied erkennen.

Was in dieser Diskussion jedoch fast immer zu kurz kommt, ist der Punkt, der für Verbraucherinnen und Verbraucher unmittelbar relevant ist: Rückstände chemischer Pflanzenschutzmittel auf Lebensmitteln und die Frage, wie sicher diese Rückstände wirklich sind.

Denn egal ob Obst, Gemüse oder Getreide: Ein Großteil unserer Nahrung enthält heute mehrere Pestizide gleichzeitig. Dieser sogenannte Cocktail-Effekt gilt als eines der wichtigsten, aber am wenigsten verstandenen Risiken. Während Grenzwerte ausschließlich für einzelne Stoffe festgelegt werden, ist kaum erforscht, wie sich verschiedene Rückstände miteinander verhalten, ob sie sich verstärken oder wie sie langfristig auf den Körper wirken.

Dieser Artikel beleuchtet deshalb nicht Bio als Lifestyle-Entscheidung, sondern die wissenschaftliche und regulatorische Realität hinter Pestizidrückständen:

  1. Wie entstehen sie?
  2. Wie werden Grenzwerte festgelegt?
  3. Warum wird der Cocktail-Effekt immer wieder kritisiert?

Und was bedeutet das für uns als Verbraucher: jeden Tag, bei jeder Mahlzeit?

Falls ihr lieber was anschauen wollt, hier ist eine sehr gute Dokumentation zu dem Thema, die ich schon damals sehr interessant fand.

Was kaum jemand weiß:

  • Grenzwerte berücksichtigen keine Mischungen. Es wird nur geprüft, wie viel von einem Wirkstoff gesundheitlich tolerierbar ist. Aber nicht, wie sich fünf oder zehn Wirkstoffe gemeinsam auswirken.

  • Die meisten Sicherheitsstudien stammen von den Herstellern selbst. Das bedeutet nicht automatisch Manipulation, aber es erklärt, warum unabhängige Forscher seit Jahren mehr Transparenz und strengere Qualitätsanforderungen fordern.

  • „Unterhalb des Grenzwerts“ heißt nicht „ohne Risiko“. Chronische Exposition, vulnerable Gruppen (Kinder, Schwangere) und Kombinationswirkungen werden bislang nur lückenhaft berücksichtigt.

Die Anbauform bestimmt die Rückstandsbelastung maßgeblich. Konventionell erlaubt dutzende synthetische Mittel. EU-Bio begrenzt viele davon massiv. Bioland geht noch weiter und schließt problematische Stoffe vollständig aus.

Wie Grenzwerte für Pestizidrückstände (MRLs) festgelegt werden

Fakt ist: Ein großer Teil unserer Lebensmittel enthält Rückstände. Das ist unvermeidbar, wenn chemische Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Deshalb gibt es Grenzwerte: die sogenannten Maximum Residue Levels (MRLs).

Wie die MRLs entstehen:

  • Zulassung des Wirkstoffs: Der Hersteller reicht Toxizitäts-, Öko- und Rückstands-Daten ein. Diese Unterlagen bilden den Großteil der Entscheidung.

  • Good Agricultural Practice (GAP): Es wird untersucht, wie viele Rückstände nach „korrekter Anwendung“ auf der Pflanze verbleiben.

  • Berechnung der täglichen Aufnahme: Auf Basis des Verzehrs verschiedener Bevölkerungsgruppen wird eine Acceptable Daily Intake (ADI) festgelegt.

  • Ableitung der MRL: Der Grenzwert wird so gesetzt, dass die theoretische maximale Aufnahme unterhalb der ADI bleibt.

  • Gilt für EU und Nicht-EU-Länder: Auch importierte Lebensmittel müssen diese MRLs erfüllen.

Das Problem: Grenzwerte beziehen sich immer auf Einzelstoffe. Sie ignorieren kombinierte Exposition, mögliche Verstärkungseffekte, chronische Langzeiteinwirkung sehr niedriger Dosen und Interaktionen zwischen verschiedenen Substanzen.

Kernaussage für Verbraucher: MRLs bedeuten, dass ein Stoff für sich genommen als unbedenklich bewertet wurde. Sie sind kein Garant dafür, dass ein Lebensmittel mit zehn Rückständen ebenfalls unbedenklich ist.

Warum Studien zu gesundheitlichen Risiken kritisch betrachtet werden sollten

Mehrere wissenschaftliche Publikationen zeigen ein klares Muster: Industrie-finanzierte Studien bewerten die Sicherheit von Pestiziden häufiger positiv als unabhängige Studien.

Weitere Kritikpunkte:

  • Behörden stützen sich stark auf nicht veröffentlichte Herstellerunterlagen.

  • Viele unabhängige Studien werden nicht anerkannt, weil sie nicht nach der formalen Good Laboratory Practice (GLP) arbeiten, obwohl sie wissenschaftlich hochwertig sind.

  • Die Auswahl der Studien beeinflusst das gesamte Sicherheitsprofil.
  • Kernaussage: Wenn offizielle Stellen sagen „unterhalb des Grenzwerts sicher“, basiert diese Aussage überwiegend auf Herstellerdaten. Das heißt nicht, dass die Daten falsch sind, aber dass sie nicht unabhängig sind.

Die Behörden sagen: keine Gefahr. 

Aber die Wissenschaft warnt. Während die EFSA Einzelrückstände in der Regel als unbedenklich bewertet, wenn sie unterhalb der Grenzwerte liegen, zeigen gleichzeitig Berichte im Auftrag staatlicher Stellen (z. B. Schweiz) und NGOs wie Soil Association oder PAN UK: Mischungen verschiedener Pestizide sind normal, nicht Ausnahme. Ihre Effekte gelten als ernstzunehmend, von erheblicher Sorge oder als potenzielles Risiko für die öffentliche Gesundheit. Die Forschungslage ist dünn, es gibt kaum Langzeitstudien zu realistischen Mischbelastungen.

Fazit: Weniger Rückstände=mehr Sicherheit

Konventioneller Anbau führt zwangsläufig zu mehr Rückständen. Bio reduziert diese drastisch. Bioland minimiert sie am stärksten, weil dort nur natürliche Mittel zugelassen sind, strenge Verbandsregeln gelten, vorbeugende Maßnahmen im Vordergrund stehen (Fruchtfolge, resistente Sorten, Humusaufbau) und zusätzliche Kontrollen stattfinden.

Für dich bedeutet das: Wenn du den Mix aus chemischen Rückständen möglichst gering halten möchtest, kann mit Bio und insbesondere mit strengeren Verbandsstandards wie Bioland deine individuelle Belastung reduzieren, weil hier deutlich weniger und ausschließlich natürliche Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden.

Hier eine andere Doku dazu, wie Landwirtschaft ohne Pestizide möglich ist und wie auch wir unseren Anbau gestalten.


Wichtig: Pflanzenschutz bei Bioland

Auch Bioland-Bauern dürfen Pflanzenschutz betreiben. Allerdings gilt für Biolandhöfe, dass nur eine begrenzte Anzahl von natürlichen Mitteln, die die Umwelt nicht belasten überhaupt zugelassen ist! Beispiele sind Pflanzenöle, Kaliseife oder Schwefelkalk. Bioland-Bauern setzen auf vorbeugende Maßnahmen, um Schädlingsbefall zu vermeiden. Dazu gehören der Anbau von resistenten, an den Standort angepasste Sorten oder vielfältige Fruchtfolgen, da sich durch die Abwechslung auf dem Acker Schädlinge schlechter verbreiten können.

Teile diesen Beitrag gerne an Menschen, die sich auch für das Thema interessieren!

Zurück zum Blog